Gehaltsangaben in Inseraten richtig interpretieren

Gehaltsangaben in Inseraten sind eine ewige Quelle von Missverständnissen. Die einen schreiben nur ein Mindestgehalt, viele gar nichts. Wie soll man sich da auskennen?!

Ich persönlich schreibe in meine Inserate grundsätzlich immer die tatsächliche Bandbreite.

Das bringt Vorteile.

Z.B. erspare ich damit allen Beteiligten sinnlose Gespräche, wenn die Vorstellungen zu weit auseinander liegen.

Es bringt aber auch Nachteile.

Einer davon: Viele lesen nur die Oberkante und verorten sich dann automatisch dort. Vor allem dann, wenn sie in ihrem aktuellen Job auch so viel verdienen und davon ausgehen, dass bei einem Wechsel das Gehalt gleich hoch bleiben muss. Mindestens!

Sie übersehen dabei aber einen wichtigen Faktor.

Den der abnehmenden Kompromissbereitschaft bei teuren Anschaffungen

Ganz oben wird die Luft dünn

Stell dir  vor, du willst ein Auto kaufen. Du hast ein Budget und Vorstellungen von dem, was du willst. Z.B. einen großen Kofferraum und wenig Verbrauch. Navi, Rückfahrkamera und Spurenassistent wären nice to have. Du denkst, dass du so ein Auto um 20 000,- bis 25 000,- bekommst und würdest maximal auf 28 000,- gehen können. Dann ist Ende Gelände.

Nun schlägt dir der Händler ein Auto vor, dass genau 28 000,- kostet. Großer Kofferraum, geringer Verbrauch, Navi, Rückfahrkamera. Aber: es fehlt ein Spurenassistent. Und die Farbe findest du auch nicht sooo sexy.

Wirst du das Auto nehmen? Nein, natürlich wirst du dich weiter umsehen.

Um 20 000,- hättest du es genommen, aber wenn du an dein Limit gehen musst, dann magst du keine Abstriche machen.

Und genau diese „abnehmende Kompromissbereitschaft“ gibt es auch im Recruiting. Je höher der Preis, desto weniger Abstriche will ein Unternehmen machen.

Wenn aus dem "nice to have" ein "must have" wird

Da war diese Kandidatin, der ich absagen musste. "Zu teuer" sagt mein Kunde. Die Kandidatin ist jetzt angefressen. Weil im Inserat stand bis 70 000,- brutto und genau das war ja ihre Forderung. Wieso also zu teuer? Sie vermutet „andere“ Gründe für die Absage.

Und damit hat sie teilweise sogar recht.

Sie will nämlich Teilzeit arbeiten. - Weil warum nicht?! Steht ja im Inserat, dass das auf Wunsch auch möglich ist.

Und sie hat keinerlei Branchenerfahrung. - So what?! War im Inserat gar nicht als Kriterium definiert.

Ebenso wenig wie die Projektmanagementzertifizierung. Und trotzdem verweist mein Kunde jetzt genau bei dieser Kandidatin darauf, dass die auch nicht vorhanden ist.

Würde er nicht tun bei einer, die nur 50 000,- kostet. Aber bei 70 000,- erwartet er das.

Oberkante UND Teilzeit UND Abstriche bei Branchenerfahrung und Qualifikation, da schaut sich mein Kunde halt auch lieber weiter um.

Die Grundregel beim Interpretieren von Gehaltsangeben

DIE OBERKANTE IST FÜR WUNDERWUZZIS. Hier muss alles passen. No compromise! Plug&Play!

Wenn du also jetzt schon an der Oberkante liegst, trotzdem aber vermutest, nicht wirklich alle Kriterien zu erfüllen, dann bereite dich geistig schon mal darauf vor, dass es sich bei den Gehaltsverhandlungen spießen könnte.

Um hier gewappnet zu sein, überleg dir, bevor du überhaupt deine Bewerbung verschickst,  welche deiner sonstigen assets diesem Unternehmen in genau diesem Job einen Mehrwert bieten könnten. Wenn du keine findest, ist das eventuell ein Zeichen dafür, dass eine Bewerbung hier wenig Sinn macht.

Oder du glänzt mit ganz besonders tollen Bewerbungsunterlagen, so dass das Unternehmen dich deswegen für ein golden nugget hält. Dann vergiss aber irgendwelche Vorlagen aus dem Netz! BETTER CALL INES! 🙂

Noch mehr Infos darüber, wie du Gehaltsangaben in Inseraten richtig interpretierst und wie du deinen "Marktwert" herausfindest, kannst du auch nachlesen in meinem Blogpost https://hr-schoeffmann.at/wie-hoch-ist-mein-marktwert-wieviel-gehalt-sie-bei-einem-wechsel-verlangen-koennen-und-warum-ihnen-gehaltstabellen-im-netz-nicht-weiterhelfen/

Ines Schöffmann

Headhunterin, Personalberaterin, Bewerbungscoach, Texterin

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