Reden wir mal über Arbeitsmoral und warum ich bald in der Seniorenresidenz headhunten werde

Sind die Jungen heutzutage echt alle so unverschämt?“ fragt mich meine Kundin, die versucht hat HTL-AbgängerInnen für ihre Firma zu keilen. Hat Geschenkpakete verschickt. An alle MaturantInnen einer HTL in OÖ. Gutschein, Kugelschreiber, Hochglanzbroschüre und nette Karte: Firma ersucht untertänigst um Audienz ….

Was passiert?

EINE EINZIGE meldet sich. Allerdings taucht Madame zum vereinbarten Termin dann doch nicht auf. Der rote Teppich kann wieder eingerollt werden.

Ansonsten? - Rücklauf NULL. Noch nicht mal ein Danke für Ihr Interesse...behalte Ihr Unternehmen in Evidenz und melde mich, wenn Ostern und Weihnachten auf einen Tag … na, egal. Sie wissen schon.

Jung, billig, willig?

Kürzlich interviewe ich zwei Kandidaten für eine Leitungsposition.

Kandidat 1: Mitte 20, FH Studium, kaum einschlägige Praxis. Dafür aber stolze Gehaltsvorstellungen. 70 000,- will er haben. Mindestens.

Kandidat 2: Ende 40. Jahrzehnte Erfahrung. Lehre, Meister, techn. Betriebswirt, Führungserfahrung. - Gehaltswunsch? - Derzeit hab ich 68 000,-  aber ich würd im Einstieg runter gehen, bis ich mich eingearbeitet hab.

Natürlich sag ich dem Jungspund, dass ich seinen Gehaltswunsch für dezent überzogen halte. Die Reaktion: Unverständnis. Warum? Steht doch im Inserat. Bis 70 000,-.
Ich: Ja, eh, aber da steht auch mindestens 5 Jahre Erfahrung im Projektmanagement und die haben Sie net.
Jetzt ist er beleidigt der Jungspund. Dann zieh ich meine Bewerbung zurück. Frechheit das!

Die Diskrepanz beim Preis/Leistungsverhältnis zwischen Jung & Alt ist erstaunlich. Aber untypisch ist sie nicht.

Clash of Cultures 🙂

Hab einen lustigen Artikel entdeckt. https://www.dasbiber.at/blog/liebe-generation-z-wir-muessen-ueber-eure-arbeitsmoral-sprechen?

In dem Artikel klagen Millenials über die laxe Arbeitsmoral der Generation Z. Millenials! Sie wissen schon, Millenials, das sind die, über deren laxe Arbeitsmoral wir Boomer herziehen, wenn wir unter uns sind 🙂

Seit 2000 Jahren weiß man: die Jugend heutzutage ist respektlos und will einfach net hackeln 😉 Klar, bullshit so pauschal. Aber Fakt ist, die Millenials sind definitiv in einem anderen Umfeld sozialisiert worden als die Generation(en) davor. Die 90er und die Nullerjahre waren noch geprägt von der Angst vor Arbeitslosigkeit. Für Jobs oder Lehrstellen war man dankbar.

Heute werden potentielle Lehrlinge hofiert und HTLerInnen lernen, dass sie nach der Matura im Einstieg mindestens 2800,- brutto verlangen sollen.

Das macht sie selbstbewusst.

Ein Moped für jeden Lehrling

Heutzutage kriegst keinen Lehrling mehr, wenn du ihm nicht a Moped kaufst“, jammert der Kunde. Und dann müsse er auch noch Kurse zahlen, damit die die Grundrechenarten erlernen. Haben die ja in der Schule nicht gemacht. Da war immer nur Sesselkreis und Nasenbohren.
Wie soll er denn da noch die Fachkräfte heranziehen, die er fertig ausgebildet am Arbeitsmarkt nicht mehr bekommt? Und meinen afghanischen Lehrling werden die mir abschieben, sobald er die Lehre abgeschlossen hat.

So schaut´s aus im Schneckenhaus!

Boomer boomen

In den letzten Jahren bemerke ich, dass meine Kunden durch die Bank erfreut sind, wenn ich ihnen ältere Semester schicke.

Das war nicht immer so.

45 ist der? Hast keinen jungen, büllüchn für mi?

oder

58?! –So einer schielt ja schon mit einem Auge auf die Pension. Lieber einen Jungen, der bleibt mir die nächsten 20 Jahre.

Wenn Sie noch immer so denken, dann leben Sie hinterm Mond.

Ich sag Ihnen jetzt was ich allen sage: Stellen Sie Oldies ein! 50, 55 oder 63 Jahre. Wurscht!

Ja, genau, 63!

Letztes Jahr hab ich eine 63-Jährige vermittelt. Eigentlich war sie eh schon seit ein paar Jahren in Pension. Aber ihr war megafad. Garten. Mann. Hund. Nix für eine, die ihr Leben lang ein Arbeitstier war. Immer wieder hat sie mit dem Gedanken gespielt, sich wieder einen Job zu suchen. Alle haben es ihr ausgeredet. Wer nimmt di denn noch in deinem Alter! Irgendwann hat sie sich getraut und eine einzige Bewerbung weggeschickt. … Haha, die hat vielleicht geschaut, als ich sie 10 Minuten später angerufen hab. Tags drauf war sie schon bei meinem Kunden zum Interview. Und mein Kunde, ein echter Schlaubär, hat nur gemeint „Was kann mir Besseres passieren, als eine, die arbeitet gehen WILL, obwohl sie gar net muss. Und schwanger wird’s a nimmer. HAHA.

Geile Geschichte, oder? Auch noch mit happy end. Die Frau macht nämlich einen super Job.

4 Gründe warum Sie Oldies einstellen sollten

1. Preis-/Leistungsverhältnis
Bei den älteren Semestern bekommen Sie mehr Erfahrung für weniger Geld.

2. Ältere wissen schon was sie wollen
Unwahrscheinlich, dass Ihre 56-Jährige Mitarbeiterin kündigt, weil sie jetzt doch studieren geht oder für ein Jahr nach Australien Schafe züchten.

3. Frustrationstoleranz
Bei den Älteren brauchen Sie keine Triggerwarnung, wenn Sie sich Kritik erlauben. Die kennen das nicht, dass man beim kleinsten Anlass beleidigt aus dem Büro läuft und augenblicklich die Headhunterin seines Vertrauens wegen eines neuen Jobs anruft. Wer früher wegen ein bisschen Stunk den Job gekündigt hat, durfte sich dann maximal bei der AMS-Beraterin ausheulen.

4. Ehrgeiz
Sie mögen „junge, ambitionierte“ MitarbeiterInnen. Fein! Aber dann sollte Ihnen klar sein, dass die sich ganz schnell zum Mitbewerb vertschüssen, wenn der mit schnellerem Aufstieg und Kohle winkt. Bei den Oldies ist dieser Drops bereits gelutscht. Ein sicherer Job bis zur Pense wird da eher nicht mehr aufs Spiel gesetzt, bloß weil die Headhunterin zweimal klingelt.

Wobei, wenn die demografische Entwicklung voranschreitet, werden sich die Firmen bald gegenseitig auch die Oldies abwerben. Noch 2 Jahre bis zur Pension?! Super!

Und verzweifelte Headhunterinnen wie ich werden vorm Betreuten Wohnen ein Infostanderl aufstellen. Barrierefrei 🙂

Ines Schöffmann

Headhunterin, Personalberaterin, Bewerbungscoach, Texterin

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