Von doofen Coaches, ChatGPT und wie du herausfindest, ob deine Bewerbung was taugt

WER bitte liest Bewerbungsschreiben, die so beginnen:

Mit der sich wandelnden industriellen Landschaft, in der technische Innovationen und rasante Effizienzsteigerungen zunehmend im Mittelpunkt stehen, sehe ich die Rolle des technischen Leiters als eine herausfordernde Gelegenheit, meine weitreichenden Erfahrungen und tiefgreifenden Kenntnisse einzubringen, um nachhaltig ganzheitliche.... blabla…bullshit

Da steigt doch die gutmütigste Personalerin nach einem halben Satz genervt aus.

Gib es zu! Du hast das auch nicht zu Ende gelesen 😉

Noch spannender als die Frage, wer sowas liest, ist aber die Frage: Wer SCHREIBT sowas?

Also frag ich den Kandidaten, der mir das geschickt hat.

"Unter uns: Haben das wirklich Sie geschrieben oder ChatGPT?" - "Wieso? Ist das nicht gut? - "Nein! Das ist fürchterlich. Keine Sau will sowas lesen."

Jetzt ist er zerknirscht. Weil ihm selbst ist der Bewerbungstext eh auch merkwürdig vorgekommen. Aber den hat ein Profi erstellt. Der hat gesagt, das schreibt man heutzutage so.

Profi?! Das schreibt man heutzutage so? -  Hell no!

Mich macht das stinkig.

Der Kandidat ist Mitte 50. Manager. Hat sich seit 30 Jahren nicht mehr beworben. Der tut sich eh schon schwer am Arbeitsmarkt. Und dann kommt er auf so einen „Coach“!

Auf einen, der ihm fett Kohle abknöpft dafür, dass er mit ChatGPT in 10 Sekunden so einen Scheiß generiert.

Hot or not? – Mach den Gartenzauntest!

Gut, dass du mich kennst. Weil jetzt verrate ich dir einen Test, mit dem du selbst herausfindest, ob dein Bewerbungsschreiben was taugt oder nicht.
Und falls deines auch so ein „Profi“ gestrickt hat, kannst du dem das gegebenenfalls gleich um die Ohren hauen.

Der Test heißt Gartenzauntest und er ist simpel.

Stell dir dafür vor, du willst deinem Nachbarn über den Gartenzaun hinweg erklären, wieso dich ein spezieller Job interessiert und warum du dafür der Richtige bist.

Würdest du dann so klingen, wie in deinem Bewerbungsscheiben?

Wenn nicht, dann ist der Text nicht gut.

Würdest du sagen: „Mit der sich wandelnden industriellen Landschaft, in der technische Innovationen und rasante Effizienzsteigerungen zunehmend im Mittelpunkt stehen, sehe ich …!

Eher nicht, oder?

Die Grundregel lautet:
Ein guter Text ist immer möglichst nahe an der Alltagsprache. Das gilt für Webseiten, für Blogposts und für dein Bewerbungsschreiben. Hier solltest du dich nur geringfügig gewählter ausdrücken, als am Gartenzaun.

So besteht dein Bewerbungsschreiben den Test

Schreib kurze Sätze. Ein Satz über mehrere Zeilen nervt!

Doziere nicht. Keiner will belehrt werden über sich wandelnde industrielle Landschaften, zunehmende Digitalisierung und sonstige Gemeinplätze. Das verleiht dir nicht die Aura des Experten. Sondern das ist unsympathisch!

Adjektive raus! Innovativ, ganzheitlich, kreativ, authentisch, weitreichend, tiefgreifend,….. Das ist abgedroschen, nichtssagend. Sowas sagst du doch auch nicht am Gartenzaun, oder?

Und bitte auch kein Fachchinesisch und keinen Marketingslang! Wenn dein Nachbar dich dafür für ein angeberisches Großmaul halten würde, tut es auch die nette Recruiterin 🙂

Und bitte lass auch die Finger von diesen Selbstbeweihräucherungen, die in idiotischen Bewerbungsratgebern neuerdings als Einleitung im Lebenslauf propagiert werden. Sowas wie „Visionärer und umsetzungsstarker Führungsexperte mit umfassender Expertise in…. blabla. Profil zeigt außergewöhnliche Fähigkeiten in der Implementierung fortschrittlicher blabla. Versiert in der ganzheitlichen…
Würdest du beim Nachbarn über dich in der 3. Person sprechen, würde der überlegen, ob er die Rettung rufen soll.

Bewerbungsschreiben? Heutzutage?

Ohje, alles so kompliziert. Nichts von dem stimmt, was du dachtest zu wissen.

Und jetzt fragst du dich: Brauch ich überhaupt ein Bewerbungsschreiben? Macht man das heute noch?

Hier die kurze Antwort:
Doch, bei Führungspositionen brauchst du das schon.

Und auch sonst. Gerade in gerade in Zeiten der vorherrschenden one-klick-Bewerbungen ist ein sympathisches und gut argumentierendes Bewerbungsschreiben ein Unterscheidungsmerkmal, mit dem du punkten kannst.

Wenn du es genauer wissen willst, lies da rein

Wenn du Hilfe beim Inhalt brauchst, findest du einiges in meinen früheren Blogposts z.B. hier und hier und auch da

Wenn du das dann alles inhaliert hast, brauchst du keinen Bewerbungscoach mehr. (Schon gar nicht so einen Vogel wie der, auf den mein Bewerber reingefallen ist.)

Und wenn doch, dann weißt du ja, wo du mich findest 🙂

Stay tuned!

Ines Schöffmann

Headhunterin, Personalberaterin, Bewerbungscoach, Texterin
ines-persoenlich

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