Backlash – Über fehlende Zumpferl und gecanceltes Homeoffice

Ruft mich ein IT´ler an, den ich vor einiger Zeit verkauft hab:

Jaja, Job ist ok, Firma ok. Problem nur: Die fahren jetzt das Homeoffice zurück. Zu Hülfe!!!

Jetzt fühlt er sich VERARSCHT. Weil als er sich damals für diese Firma entschieden hat, war die großzügige HO-Regelung nämlich ziemlich entscheidend für ihn.

Ich soll also bittoschen an ihn denken, wenn ich was Passendes herein bekomme.

Backlash

Aktuell in vielen Unternehmen: HO-Regelungen, während Corona eingeführt, werden zurückgestutzt. Auf einen Alibitag in der Woche. Aber bitte mit Voranmeldung!

Studien belegen, dass durch HO-Option die Produktivität im Schnitt steigt. Ebenso die Mitarbeiterzufriedenheit. Die Zahl der Kündigungen geht zurück.

Lesen die, die ihre MitarbeiterInnen jetzt wieder zurückholen, keine Studien? Oder sind die alle paranoid? Haben Kontrollzwang?

Nein, eher nicht. Sie sitzen nur einem sehr verbreiteten Denkfehler auf:

Sie sehen Zusammenhänge wo keine sind.

Wir haben es eh probiert, aber...

Jetzt hol ich ein bisschen aus.

Als ich klein war, hab ich Berufsorientierungskurse für arbeitslose Frauen geleitet. Oft waren da welche dabei, die gerne eine technische Ausbildung machen oder in den handwerklichen Bereich wechseln wollten.

Ein Mädchen als Mechanikerlehrling? Eine Frau als Tischlerhelferin? Häh! Echt jetzt?! ... Für die meisten Firmen war das damals in den 90ern Neuland. Meine Kollegin und ich haben denen ein Ohr abgekaut, um unsere Mädels auch nur in ein unbezahltes Praktikum zu bekommen.

Und wissen Sie, wo es am schwierigsten war? - Nicht bei denen aus der Kategorie „Wir haben noch nie a Frau genommen“. Sondern bei denen, die sagten "Wir haben es schon einmal mit einer Frau versucht, aber es hat nicht geklappt.

Mit dieser EINEN Frau hatte es damals nicht gepasst.

Und somit: Aus Maus. Ab jetzt nie mehr a Wabn!

Meine Kollegin hat dann immer gefragt: "Hatten Sie auch schon mal Männer, mit denen es nicht gepasst hat? - Ja? Acha …. aber trotzdem probieren Sie es weiterhin mit Männern?" 😀

Korrelation oder Kausalzusammenhang?

Dass es beim HO genau das selbe ist, wird mir bewußt, als ich mit einem Kunden spreche.

Er braucht jemanden für die IT.

Wir gehen die Rahmenbedingungen durch.

... Homeoffice geht eh a?
Nein!

What?! Wieso nicht???

Weil –Begründung- sie haben da gerade mit einer Neueinstellung schlechte Erfahrungen gemacht. Derjenige war 100% HO. Nach einem halben Jahr ist man drauf gekommen: der Vogel hat NULL weitergebracht in den sechs Monaten.

Und deswegen. Ab sofort. KEIN HO mehr. Hat sich nicht bewährt.

Merken Sie´s? Die sehen einen Zusammenhang, wo keiner ist. Wäre dieser Vogel wirklich ein Performer gewesen, wenn er zum Nasebohren jeden Tag ins Büro gekommen wäre? - Wohl eher nicht. Das HO war sicher nicht der Grund dafür, dass es nicht geklappt. Ebensowenig wie das fehlende Zumpferl bei den Frauen damals.

ABER: Manchmal ist unser Gehirn ein Trottel und verwechselt Korrelation mit Kausalität.

Gerade in neuen Situationen, in denen es noch nicht über ausreichende Erfahrungen verfügt, beginnt es im Trüben zu fischen und versucht Muster zu erkennen. Und stellt dann oft Kausalzusammenhänge her wo keine sind. Und dann ist das Geschlecht schuld, der Migrationshintergrund oder das Homeoffice.

Wir haben es eh probiert, aber es hat net geklappt.

Burschen, ihr habt´s einfach den Falschen eingestellt!

Ja, vermutlich, wärt ihr im Büro früher draufgekommen, dass er nichts kann. Aber vielleicht hättet ihr ja auch trotz HO den Kontakt halten und euch über Zwischenschritte informieren können?

Adapt or die!

Ich rede jetzt gegen mein Geschäft, wenn ich euch, lieben Kunden, von diesem Backlash wärmstens abrate 😉

Weil eigentlich könnte es mich ja freuen, wenn eure Leute die Headhunterin ihres Vertrauen anrufen. Aber andererseits ist es fucking schwer, euch neue Leute zu bringen, wenn ihr kein HO anbietet.

Weil andere tun das nämlich sehr wohl.

Sorry Herrschaften, there is no way back. Die Leute werden sich in Zukunft nicht mehr sagen lassen, von wo sie arbeiten. Und ihr könnt entweder zuschauen, wie der Zug ohne euch abfährt oder eure Rahmenbedingungen und euren Führungsstil anpassen.

Und zur Beruhigung: es wollen eh nicht ALLE IMMER daheim arbeiten. Einige wollen das nämlich z.B. überhaupt nicht. Weil sie daheim zu wenig Platz haben, keine Ruhe, sich nicht konzentrieren können oder weil sie einfach Arbeit und Privatshäre trennen wollen. Und die allerwenigste wollen ausschließlich HO arbeiten.

Die meisten wollen eine Mischung und selbstverantwortlich entscheiden.

P.S.: Dieser Blogpost wurde im Homeoffice in Rekordzeit mit Katze auf dem Schoß und in schlabriger Jogginghose getextet 🙂

Ines Schöffmann

Headhunterin, Personalberaterin, Bewerbungscoach, Texterin

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