Wie du dir mit falschen Bildungsentscheidungen das Leben ruinierst. Teil I

Im akademisch gebildeten Teil meines Bekanntenkreises gibt es einen Glaubenssatz. Der lautet:

"Hauptsache mein Kind macht nach der Schule ein Studium."

WELCHES Studium ist vööööllig blunzn. Kommunikationswissenschaften? Theaterwissenschaften? Kunstgeschichte? Numismatik? – Alles super!

Weil: Wenn man WIRKLICH gut ist, findet man schon einen Job.

Jo, stimmt! Den Satz unterschreib ich als Personalberaterin sofort. Nur frag ich mich, warum automatisch ALLE davon ausgehen, dass der eigene Fortpflanz tatsächlich zu den "wirklich Guten" gehören wird.

Man muss keinen Magister in Statistik haben um zu erkennen: DAS KANN SICH NICHT AUSGEHEN.

Blöd! Weil bei vielen Studienrichtungen finden tatsächlich nur die besten AbsolventInnen was Adäquates.

Und der Rest? - Die dürfen dann beim H&M Klamotten schlichten oder im Gasthaus "Zum Depperten Hirschen" das Schnitzel servieren.

Wenn sie dann noch ehrenamtlich in der Gemeindebibliothek aushelfen, waren 35 Semester Literaturwissenschaften zumindest net völlig umsonst 😉

Apropos depperter Hirsch. Am Stammtisch vom Depperten Hirschen sitzen der Installateur, der Baumeister und die Inhaberin der hiesigen Spritzgussbude und reden darüber, dass sie keine Mitarbeiter finden und deshalb jetzt 4-Tage-Woche anbieten. Bei vollem Lohnausgleich versteht sich. Und jedem Lehrling ein Moped schenken.

Wenn die Kinder vom Baumeister, dem Installateur und der Spritzgussunternehmerin eine Lehre oder eine HTL machen wollen, bricht in der Familie wilde Freude aus.

Weil die nämlich genau wissen, dass ihre Kinder sich später die Jobs aussuchen können. Und zwar auch dann, wenn sie nur zu den Durchschnittlichen ihres Fachs gehören.

Und dass sie später trotzdem noch ein Studium machen können, das wissen die auch.

Und dass die Firmen für Führungspositionen lieber Leute einstellen, die vor einem Studium eine Lehre gemacht haben, DAS weiß die Headhunterin Ihres Vertrauens.

Karriere mit LEERE

In der Werbeagentur einer Freundin schlagen regelmäßig BewerberInnen auf, die Kommunikationswissenschaften studiert haben. Meine Freundin hat ein großes Herz. Deshalb lässt sie ab und an mal den einen oder anderen, der ihr nicht völlig verpeilt vorkommt, ein Schnupperpraktikum machen.

Ein Dienstverhältnis ist dabei allerdings noch nie rausgekommen.

Die können alle nix“, sagt sie. „Texten können die nicht, designen auch nicht und programmieren schon gar nicht. … Und ins Büro kann ich die auch nicht setzen, weil da sind sie auch komplett nackert."

Nach der tausendsten Absage sitzen die dann bei mir im Bewerbungscoaching und heulen. Diejenigen, die eben nicht zu den Top Performern ihres Jahrgangs gehören oder deren Eltern nicht die Connections haben, um der Karriere vom geisteswissenschaftlich gebildeten Spross doch noch den richtigen Spin zu geben.

Ich frag die dann was sie eigentlich ursprünglich mit dem Studium anfangen wollten und ob sie gewusst haben, dass es kaum Jobmöglichkeiten gibt. Die meisten haben es NICHT gewusst.

Und oft stellt sich heraus: Sie hatten Berufswünsche, die mit dem gewählten Studium gar nicht zu realisieren waren.

Aber hat ihnen halt leider keine Sau gesagt, dass das Germanistikstudium einen NICHT dafür qualifiziert, den nächsten Bestseller (oder überhaupt IRGENDWAS) zu schreiben. Oder dass Kommunikationswissenschaft nix bringt, wenn man „in die Werbung“ will.

Das Drama hätte man sich sparen können, wenn es in den Schulen qualifizierte Berufsberatung gäbe. Gibt es aber –gerade in den AHS- scheinbar überhaupt nicht.

Akademische Lehrkräfte, die selbst nur akademische Berufe kennen, haben oft keine Ahnung von alternativen Ausbildungen und Berufsbildern.

Die Eltern sind auch oft keine Hilfe

Meine Tochter soll das studieren, was sie interessiert“, erklären mir die, die es sich leisten können, dem Nachwuchs langjährige Studien mit ungewissem Ausgang zu finanzieren. „Sollen jetzt etwa alle Informatiker werden, bloß weil du die am besten verkaufen kannst?!“, der vorwurfsvolle Nachsatz.

Jo, eh. Aber ich bezweifle, dass die vagen Interessen vom Töchterlein wirklich nur dieses eine Orchideenstudium rechtfertigen. Oft gäbe es nämlich eine Alternative, die für sie mindestens genauso interessant wäre, dafür aber tatsächlich Jobchancen eröffnen würde. Aber von der hat Frau Töchterlein noch nie was gehört.

Dabei ist es nur ein kleiner Schritt z.B. vom brotlosen Studium der Soziologie zum Studium in Sozialpädagogik, wo man sich dann die Jobs aussuchen kann.

Nicht falsch verstehen bitte! Wer eine wissenschaftliche Laufbahn anstrebt, soll gerne Soziologie studieren. Aber man sollte halt zumindest Bescheid wissen um die eingeschränkten Möglichkeiten.

Deshalb bitte, Herrschaften, zahlt´s euren Kindern, die gerade vor einer Bildungsentscheidung stehen, die ihr ganzes Leben beeinflussen wird, einfach nur EINE Stunde wirklich gescheiter Beratung!

Aber nicht bei einer, die auf Phantasiereisen zum eigenen Ich schwört oder Studienrichtungen kinesiologisch auspendelt oder sonst einen Schas!

Better call Ines!

Ines Schöffmann

Headhunterin, Personalberaterin, Bewerbungscoach, Texterin

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