First Dates – Recruiting und Partnerwahl und warum Sie sich vor Tussijägern in Acht nehmen sollten

Ihre Kandidatin ist nichts für uns. Die ist nicht motiviert“.

Nicht motiviert. Aha.

Woran er das denn zu erkennen glaubt, frage ich den Kunden.

Antwort: Sie hat gesagt: „Klingt toll, was eure Firma macht“.

Scheinbar bin ich begriffsstutzig. Weil ich kapiere es nicht.

„KLINGT hat sie gesagt. KLINGT!!! Nicht IST“ Das ist eine ABSCHWÄCHUNG!

Gaaaah! Schon wieder so einer mit einem Master in Glückskekspsychologie. Gott sei Dank ist das Gespräch am Telefon. Da sieht der nicht, wie ich die Augen verdrehe.

Jetzt mal abgesehen davon, dass ich diese „psychologische“ Deutung für absolut schwachsinnig halte, frag ich mich: Wie zum Teufel kommt man auf die Idee, dass Kandidaten schon beim ersten Date in Begeisterung ausbrechen müssen?!

Ja, genau. Date! Ich verrate Ihnen jetzt nämlich, was ich in 25 Jahren im Vermittlungsgeschäft gelernt hab: Personalauswahl funktioniert wie Partnerwahl.

Und Interviews wie erste Dates.

Sie sind Führungskraft? –Dann reden Sie sich ruhig weiter ein, Sie hätten super Menschenkenntnis und klare Kriterien, nach denen Sie entscheiden. Das machen alle.

Die Wahrheit ist aber ganz banal: entweder es funkt oder es funkt nicht. Und wenn es nicht funkt, dann bastelt man sich hinterher Erklärungen zurecht.

Fehlende Begeisterung!

Falsche Antwort auf Frage XY!

Und dann glaubt man weiterhin daran, man hätte rational entschieden. - Bullshit! Aber gut fürs Selbstbild.

Von Laberköpfen und Nickautomaten

Einmal war ich bei einem besonders schrägen Interview. Der Geschäftsführer eines Unternehmens castete einen meiner Kandidaten für eine Controllerstelle. Über eine Stunde lang. Und in dieser ganzen Zeit hat ununterbrochen und ausschließlich der GF selbst gesprochen. Mein Controller hat dagesessen wie ein Nickautomat. Hat andächtig zugehört und in regelmäßigen Abständen genickt. Zu Wort gekommen ist er nicht. Fürchterlich!
Ich war sicher, das wird nichts mit der Vermittlung.
Doch beim Rausgehen hält mich der GF zurück, sieht mich an und sagt im Brustton der Überzeugung: "Einen Topmann haben Sie mir da gebracht. Ich will den unbedingt haben. Der ist fachlich sehr, sehr gut."
- Häh?! Woher will er das denn wissen? Der hat ja nicht mal 2 Sätze gesagt in dem Gespräch?!

Wahrscheinlich auch so ein Fall von Glückskekspsychologie.

Mein Controller hat übrigens dort angefangen. Auch er hat das Gespräch „super“ gefunden. Topf & Deckel!

Der Mythos von „guten“ und „schlechten“ Kandidaten

Ich hab das oft erlebt bei Interviews: Wenn der oder die Richtige dasitzt, lösen sich Anforderungsprofile in Schall und Rauch auf. Wie in der Liebe 🙂

Dann erklärt mir derselbe Kunde, der immer gesagt hat, dass er jemanden mit Branchenerfahrung braucht, warum es in Wirklichkeit ein Riiiiiesen Vorteil ist, dass der da eben NICHT aus der Branche ist. Und das mit dem verhandlungssicheren Englisch? - Ach was, sooo wichtig ist das nun auch wieder nicht.

Urspannend ist auch, wenn ich einen Kandidaten an mehrere Firmen weiterleite. Die Rückmeldungen, die ich nach den Vorstellungsgesprächen bekomme, sind derartig unterschiedlich, dass ich mich oft frage: Reden die tatsächlich von derselben Person? Der eine Kunde bedankt sich für den super Kandidaten, der andere fragt mich, was ich ihm da schon wieder für einen Soziopathen geschickt hab.

Warum ist das so?

1. KandidatInnen verhalten sich oft komplett unterschiedlich. Je nach Tagesverfassung und Gegenüber und abhängig davon, was sie vorher auf Kununu über Ihre Firma gelesen haben 😉

2. Die Bewertungskriterien der PersonalentscheiderInnen sind völlig subjektiv. Für die eine ist einer, der viel redet, ein Laberkopf, der nächste schätzt genau das als Offenheit und Eloquenz.

Vielleicht gibt es überhaupt keine guten und schlechten KandidatInnen, sondern nur passende oder unpassende.

Damit die Funken fliegen

Wir PersonalerInnen haben es ja inzwischen brutal schwer. Früher durften wir noch wählen. Du, du nicht, du vielleicht. Inzwischen müssen wir um die Gunst der immer spärlicher hereintröpfelnden BewerberInnen kämpfen.

Deshalb hier ein paar Tipps, wie man KandidatInnen herumkriegt (oder eben nicht) 😉

  • Hielten Sie es für eine gute Idee in ein Date mit einem fixen Fragenkatalog zu gehen? Nein? – Warum machen Sie es dann beim Vorstellungsgespräch?
  • Würden Sie im Date ein Pokerface aufsetzen und darauf hinweisen, dass Sie noch weitere Dates mit vielen anderen Frauen führen, bevor Sie sich eventuell wieder melden? Auch eher nicht, oder?
  • Was würden Sie denken, wenn Ihr Date Ihnen nach 10 Minuten was von der großen Liebe erzählt und Ihnen sagt, dass sie die schönste und interessanteste Frau der Welt sind. Würden Sie da nicht an einen Tussijäger denken? - Aha. Aber dem Bewerber glauben Sie den Schaß?
  • Und wenn Ihr Date von Ihnen verlangen würde, dass Sie vorweg erstmal einen Psychotest ausfüllen? - Eeeeeben! Warum solche Tests völlig für den Hugo sind, erzähl ich Ihnen ein andermal.

Generell: Verabschieden Sie sich von dem Gedanken, es gäbe Verfahren oder raffinierte Fragen, mit denen Sie „die wahre Persönlichkeit“ Ihres Gegenüber erkennen oder rausfinden können, ob Sie glücklich werden miteinander! - Gibt´s nicht!

Nicht in der Liebe und nicht im Recruiting.

Ich kann mich an einen Kandidaten erinnern, der hat sich im Vorstellungsgespräch bei meinem Kunden wie ein Vollpfosten verhalten. Ist schon mal zu spät gekommen. Weil das Navi hat ihn angeblich in die Pampas gelotst. Webseite angeschaut? - Naja, net so wirklich dazu gekommen. Warum er sich für den Job interessiert? - Einfach so halt.

Mein Kunde hat ihn trotzdem eingestellt. Was soll´s. Der einzige Bewerber. Probier ma´s halt.

Er ist jetzt nach 3 Jahren in der Firma die tragende Säule im Team. Ein Spitzentechniker.

Saublöd wäre das gewesen, wenn die ihn nicht genommen hätten, weil in "Recruiting für Dummies" steht, dass man Bewerber, die nicht vorbereitet sind, aussieben soll, weil ihnen die Motivation fehlt.

Ines Schöffmann

Headhunterin, Personalberaterin, Bewerbungscoach, Texterin

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