Warum ihr keine Leute mehr findet und der Obstkorb auch nix nützt? – Die Demografie ist eine Sau!

"Unser Head of R&D will keinen Softwareentwickler in Teilzeit. Und einen Junior will er a net ", seufzt meine Kundin, die geplagte Personalchefin. Ob er hinterm Mond lebt, nicht weiß, wie die Arbeitsmarktsituation ist, frag ich sie. Sie schüttelt den Kopf. Fusselig habe sie sich den Mund schon geredet. Nützt nix. Beim einen Ohr rein, beim anderen wieder raus. "Bald wir er selber programmieren müssen. Dann wird er es merken."  Haha, jetzt müssen wir beide lachen.

Manche Führungskräfte wohnen im Taka-Tuka-Land

Teilzeit? –Na, dos geht net bei uns! Ein Aufbaukandidat? – Dafür hamma keine Zeit. Eine, die noch nicht Deutsch kann?- Na bitte, wirklich net!!!

Keine Frau, keinen Ausländer, keine Bladen! 55? – Vü z´oid!

Und dann kleben sie weiter an ihren in Stein gemeißelten Anforderungsprofilen.

Und warten.

Wird schon der Richtige kommen. Irgendwann halt.

Nein, Mausbär, wenn es blöd geht, kommt da keiner mehr!

Nicht nur die Wirtschaftskammer spricht inzwischen von einem Fachkräftemangel noch nie dagewesenen Ausmaßes. 2022 fehlen allein in Oberösterreich 26 000 Arbeitskräfte. Laut (vorsichtigen) Prognosen des AMS werden es in 3 Jahren bereits 70 000 sein. Alleine in OÖ!

Und das ist erst der Anfang. Der Trend beschleunigt sich. Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage geht mit jedem verdammten Jahr weiter auf.

„So a Blödsinn! Woher willst du das denn wissen?! Wird schon wieder besser werden das Ganze“, sagen dann viele, denen ich das predige.

„It´s the demography, stupid!“

Die Demografie ist eine exakte Wissenschaft. Sie kann ziemlich genau berechnen, wann wie viele Menschen in den Arbeitsmarkt eintreten werden, wie viele wann in Pension gehen und wie sich der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung im Vergleich zu den RentnerInnen entwickelt. Und genau diese Demografie erzählt uns seit 25 Jahren, dass uns die Arbeitskräfte ausgehen werden. Ab wann? – Ab jetzt! Aber es war ein bisschen so wie bei „Don´t Look Up“. Keiner wollte es hören. Und jetzt hat der Komet bereits eingeschlagen.

Wenn Sie, liebe Führungskraft, weiterhin im Taka-Tuka-Land leben wollen, dann lesen Sie AB HIER NICHT mehr weiter!

Für alle anderen die gruseligen Fakten:

  1. Die Babyboomer gehen in den kommenden Jahren in Pension. Babyboomer das sind die, die in den geburtenstarken Jahrgängen das Licht der Welt erblickt haben. Also etwa bis Ende der 60er Jahre. Dann schlägt der „Pillenknick“ voll durch. BUMM! Ab da geht die Geburtenrate dramatisch zurück.
  2. Was am Arbeitsmarkt nachrückt, sind nur noch geburtenschwache Jahrgänge. Die durchschnittliche Frau in Österreich bringt 1,44 Kinder zur Welt. Tendenz sinkend. Um die Bevölkerung auch nur konstant zu halten, bräuchte es aber eine Rate von 2.
  3. Der Hauptgrund dafür, dass die Bevölkerung trotzdem (noch) wächst, ist die stark gestiegene Lebenserwartung. Nur leider bringt es am Arbeitsmarkt nicht soooo rasend viel, wenn es mehr 80-100 Jährige gibt.

Und langfristig? Aktuell haben wir zumindest noch die (wenigen) Kinder der geburtenstarken Jahrgänge am Arbeitsmarkt. In ein paar Jahrzehnten dann aber nur mehr die wenigen der bereits geburtenschwachen. *schauder*

Was tun dagegen?

Mehr Zuwanderung? - Super Idee! Bin schon gespannt, wer als erster das Köpfchen rausstreckt und das öffentlich fordert 😉

Und aus Europa wird der Zuzug eher nicht kommen. Weil es nämlich in ganz Europa EXAKT GENAUSO ausschaut. Zum Teil noch schlimmer, z.B. in Osteuropa, wo sich in den Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ganze Generationen in den Westen vertschüsst haben. Oder am Balkan wo Uni-Abschlussjahrgänge der  MINT-Fächern von Ländern abgeworben werden, die etwas geschickter sind als Österreich, das mit der völlig vergurkten Rot-Weiß-Rot Karte den Zuzug von Talenten effektiv verhindert.

Frauen verstärkt in Vollbeschäftigung ? - Aus vielerlei Gründen wünschenswert. Allerdings würde es dafür flächendeckende Ganztagskinderbetreuung und -schulen brauchen. Und an pädagogischem Personal fehlt es jetzt schon hinten und vorne.

Sollten also keine dramatischen Zuwanderungsereignisse uns massenhaft neue junge Arbeitskräfte auf den Arbeitsmarkt spülen und/oder das Pensionsantrittsalter auf 75 angehoben werden, wird es in den nächsten Jahrzehnten eher mau ausschauen.

Der Markt ist mau – sag leise tschau!

Was macht die kluge Führungskraft also am Besten? – Vorschlag von der Headhunterin deines Vertrauens: Als erstes verabschiede dich von ein paar liebgewordenen Denkmustern! Die stehen jetzt schon dem Erfolg im Weg und werden in Zukunft völlig deplatziert sein.

Ich sag es jetzt mal nett und diplomatisch: Steckt euch euren Obstkorb, eure 38,5 Stundenwoche und euren 1-Tag-Homeoffice an den Hut!

In Zukunft werden euch die MitarbeiterInnen sagen, WANN, wie viele Stunden und von WO aus sie arbeiten möchten. Wenn ihr das nicht bieten könnt oder wollt, egal! Dann macht es halt der Mitbewerb.

Und warum kein Obstkorb? – Nein, Blödsinn! Der ist eh o.k. Aber was die Leute wirklich wollen ist, dass ihr Job SINN und die Arbeit FREUDE macht. Wenn das nicht ist, dann nützt auch der fucking Obstkorb nichts.

Eure in Stein gemeißelten Jobdescriptions und Anforderungsprofile könnt ihr euch in Zukunft auch einrexen. Weil in ein paar Jahren werdet ihr interessante Leute einstellen und mit denen gemeinsam den passenden Job kreieren.

"Deitsch muss er aber schon können" – Ja? Tatsächlich? Ich befürchte, da werden ein paar von euch eher in Zukunft Englisch lernen müssen 😉

Ines Schöffmann

Headhunterin, Personalberaterin, Bewerbungscoach, Texterin

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